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Rede von Bundeskanzler Scholz in der Offenen Debatte im VN-Sicherheitsrat zur Ukraine am 20. September 2023

Scholz UNSC UNGA78 

Scholz UNSC UNGA78, © picture alliance / newscom / Jason Szenes

20.09.2023 - Artikel

Sehr geehrter Herr Präsident,
verehrte Kolleginnen und Kollegen, Exzellenzen,

es ist fast 19 Monate her, dass Russland einen brutalen Angriffskrieg gegen seinen souveränen Nachbarn, die Ukraine, begonnen hat.

Zehntausende Soldatinnen und Soldaten sowie ukrainische Zivilistinnen und Zivilisten sind getötet worden. Unzählige ukrainische Kinder sind entführt worden.

Russische Truppen haben gemordet, vergewaltigt und gefoltert.

Sie machen Städte und Dörfer dem Erdboden gleich.

Sie verminen ganze Landstriche und verwandeln so Kornfelder in Todesfallen.

Dieser Krieg findet in Europa statt.

Doch seine Folgen sind überall auf der Welt zu spüren.

Russland hat dem Weltmarkt bewusst Millionen Tonnen Getreide und Düngemittel entzogen, die von Ländern auf der ganzen Welt benötigt werden, um Ernährungssicherheit zu gewährleisten.

Russland zielt bewusst auf Getreidesilos und Hafeninfrastruktur.

Und Russland hat einseitig die Schwarzmeer-Getreide-Initiative aufgekündigt und so die Armut und Ernährungsunsicherheit überall auf der Welt verschärft.

Dafür gibt es keine Rechtfertigung.

Alle Behauptungen, dass russische Exporte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Düngemitteln durch Sanktionen behindert werden, sind falsch. Es gibt keine Sanktionen, die solche Exporte behindern. Im Gegenteil, Russland dominiert den globalen Markt für Düngemittel. Das Jahr 2022 war ein Rekordjahr für russische Weizenexporte.

Der Grund dafür, dass das Leid in der Ukraine und überall auf der Welt andauert, ist erschütternd einfach: Russlands Präsident will seinen imperialistischen Plan zur Eroberung seines souveränen Nachbarn, der Ukraine, umsetzen.

Herr Präsident,

die Vereinten Nationen haben sehr deutlich gemacht, was sie von Russlands Angriffskrieg halten, zuletzt am 23. Februar dieses Jahres.

Die Generalversammlung hat zu einem umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden aufgerufen.

Diese Aufforderung richtet sich an Russland. Bis heute wurde sie nicht beantwortet.

Nichts tönt heute lauter als Russlands Schweigen als Reaktion auf diesen globalen Friedensappell.

Manche behaupten, dass dieser Krieg mit diplomatischen Mitteln hätte verhindert werden können.

Frankreich und Deutschland haben seit dem Beginn von Russlands Angriff auf die Ostukraine 2014 jedoch Hunderte Treffen mit Moskau und Kiew abgehalten. Unser Ziel war es, eine diplomatische Lösung zu finden, die im Einklang mit dem Völkerrecht steht. All diese Bemühungen sind gescheitert, weil eine Seite – nämlich Russland – sich für Krieg statt Diplomatie entschieden hat.

Dennoch hat es nicht an diplomatischen Anstrengungen gefehlt.

Einige meiner Vorrednerinnen und -redner haben zu einem sofortigen Waffenstillstand aufgerufen.

Ich würdige ihre gute Absicht. Wir alle wollen, dass das Töten aufhört – besser heute als morgen.

Und trotzdem müssen wir uns vor scheinbar einfachen Lösungen hüten, die Frieden nur dem Namen nach versprechen.

Frieden ohne Freiheit ist Unterdrückung.
Frieden ohne Gerechtigkeit ist ein Diktat.

In den Resolutionen der Generalversammlung haben wir den Weg zum Frieden aufgezeigt:

Frieden bedeutet Achtung der VN-Charta.

Frieden bedeutet Achtung der territorialen Unversehrtheit und politischen Unabhängigkeit der Ukraine.

Das ist das Versprechen, das die VN-Charta jedem Mitgliedstaat der VN gibt.

Niemand wünscht sich Frieden sehnlicher als die Ukrainerinnen und Ukrainer.

Der Friedensplan, den der ukrainische Präsident uns heute erneut vorgelegt hat, ist ein Beleg dafür.

Die Gespräche, die vor Kurzem in Kopenhagen und Dschidda stattgefunden haben, waren wichtig – diese Arbeit sollte fortgesetzt werden.

Sie sollte mit einem Ziel fortgesetzt werden: einen Frieden zu finden, der die Grundsätze der VN-Charta achtet.

Herr Präsident,

je entschlossener wir uns gemeinsam hinter diese Grundsätze stellen, je entschiedener wir uns für einen gerechten Frieden einsetzen und je geeinter wir in unserer Ablehnung der russischen Aggression zusammenstehen, desto früher wird dieser Krieg beendet sein.

Und desto früher wird das menschliche Leiden beendet sein – in der Ukraine und überall auf der Welt.

Dieses Ziel ist es wert, dass wir uns mit all unserer Kraft dafür einsetzen.

Vielen Dank.

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